Die Dichterin von Aquitanien by Vanek Tereza

Die Dichterin von Aquitanien by Vanek Tereza

Autor:Vanek, Tereza [Vanek, Tereza]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2010-09-15T22:00:00+00:00


Der ganze Hofstaat hatte sich im Empfangssaal versammelt, als der Neffe des gefallenen Grafen von Salisbury seine Belohnung entgegennahm. Eine vollständige Rüstung mit Kettenhemd und Helm wurde hineingetragen, Diener führten ein Schlachtross, das bereits gesattelt, mit geschmücktem Zaumzeug und goldenen Sporen versehen war. Eine Truhe folgte. Marie sah, wie Chemises aus feinem Tuch und seidene Surcots ausgebreitet wurden. Vier wollene Umhänge, deren Kragen mit Hermelin- und Zobelfell verziert waren, ergänzten die prächtige Ausstattung eines Ritters edler Abkunft. Emma hatte Marie erklärt, dass dieser William als vierter Sohn kein eigenes Vermögen hatte erben können. Sein Gesicht strahlte, als er vor Aliénor auf die Knie sank.

»Nun, da der Graf von Salisbury von uns geschieden ist, wird mein Sohn Richard die Befehlsgewalt über meine Truppen haben«, fügte Aliénor hinzu. »Der tapfere William soll ihn dabei unterstützen. Daher darf er sich an unsere Seite setzen.«

Der junge Ritter nahm am Tisch auf der Tribüne zwischen Richard und Raoul de Faye Platz, wodurch er zum Mitglied des engsten Kreises um die Königin wurde. Danach erschienen die üblichen Sänger und Gaukler. Marie erfreute sich an der Darbietung Bernard de Ventadorns, doch trat er diesmal ohne seine musikalische Begleitung auf, sondern spielte selbst auf der Harfe. Verwirrt sah sie sich im Saal um. Diesmal waren sehr viele Menschen versammelt, und sie konnte Jean unter all den unbekannten Gestalten nicht entdecken. War er bereits abgereist? Sie schalt sich innerlich für das Gefühl von Enttäuschung, das sie erneut niederdrückte. Dann bemerkte sie das sommersprossige Gesicht eines rothaarigen Jungen, und Erinnerungen stiegen in ihr hoch.

»Hoheit«, wandte sie sich an die Königin. »Dieser Knappe, der über die Mauer kletterte, um Verstärkung zu holen, hätte er nicht auch eine Belohnung verdient? Er setzte dadurch sein Leben aufs Spiel, und ohne ihn wären wir verloren gewesen.«

Aliénor, die sich gerade mit Richard unterhalten hatte, warf Marie zunächst einen finsteren Blick zu, denn sie schätzte es nicht, unterbrochen zu werden. Dann schien sie die Bedeutung der Worte zu erfassen, denn ihre Augen richteten sich kurz auf die Versammelten.

»Ich weiß nicht einmal, wie dieser Junge hieß«, meinte sie nur.

»Aber er sitzt hier an Eurer Tafel. Ich habe ihn gesehen«, beharrte Marie. Emma stieß einen Seufzer aus und flüsterte Isabelle etwas ins Ohr. Vermutlich konnte sie nicht begreifen, warum Marie wegen eines Knappen bereit war, den Ärger der Königin auf sich zu ziehen.

»Nun, dann zeig ihn mir«, meinte Aliénor ungeduldig. Marie wies mit der Hand in die Richtung des sommersprossigen Jungen. Sie hatte keine Zweifel mehr, er war es. Sein Gesicht begann bereits rot anzulaufen, da er den Blick der Königin auf sich ruhen sah.

»Steh auf und komm zu uns«, rief Marie so freundlich wie möglich. Der Junge gehorchte, auch wenn er dabei aussah, als quälten ihn Zahnschmerzen. Bald schon kniete er vor der Königin, die rasch einen goldenen Ring von ihrem Finger zog und ihn dem Knappen hinhielt.

»Nimm dies als Dank für deinen Mut. Wie ist dein Name?«

Die Stimme des Knappen war so leise, dass Marie sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.

»Robert de Veizis.«

Maries Herzschlag beschleunigte sich, aber sie sagte sich, dass es sicher nur ein Zufall war.



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